Ueli Lanz und Irene Grünenfelder begutachten die Pinot Noir Trauben des Jahres 2010 in den Rebzeilen in Jenins !
Porträt der Winzerin Irene Grünenfelder aus Jenins/Graubünden
Selbst ist die Frau
Dass der erste Wein auf Schweizer Boden im Gebiet der Bündner Herrschaft gekeltert wurde, steht für die Einheimischen schon lange fest. Irene Grünenfelder, die vor einigen Jahren aus Mittelbünden dorthin gezogen ist, bildet da keine Ausnahme. Sie führt das Weingut Eichholz, auf dem sie mit ihrem Mann und den zwei Kindern lebt, auf eine römische Gründung zurück. Er liegt am Rande der Winzerortschaft Jenins, durch die einstmals ein Nord-Süd-Handelsweg aus der Römerzeit verlief. Wenn sie ihren Gästen den vollständig renovierten Winzerhof zeigt, führt der Weg zunächst in einen Raum, in dem sich ein uralter Ziehbrunnen befindet. Er dient jetzt als Kulisse für die Degustation ihrer Weine, mit denen sie sich mittlerweile auch ausserhalb der Herrschaft einen soliden Ruf erworben hat.
Dass sie einstmals diesen vornehmlich Männern vorbehaltenen Beruf ergreifen und damit sogar Erfolg haben sollte, hätte sie sich niemals träumen lassen. Damit steht Irene Grünenfelder in dieser Gegend allerdings nicht alleine: Sie gehört zu einer Gruppe von fünf Winzerinnen, die massgeblichen Anteil an der „hiesigen Aufbruchstimmung“ beanspruchen dürfen.
Begonnen hatte sie ihre berufliche Laufbahn als Primarlehrerin, dann wechselte sie in den Journalismus über und liess sich von einer Tageszeitung anstellen. „So richtig befriedigt hat mich das alles nicht“, meint sie rückblickend. Dann der Lichtblick: Die Familie ihres Mann Hans-Jakob Hunger, der als Postbeamter tätigt ist, besass bei Jenins nicht genutztes Gelände, das sich hervorragend für den Weinanbau eignete.
„So habe ich aus meiner Passion für den Weinbau einen Beruf gemacht,“ bekräftigt Irene Grünenfelder. Zielstrebig hat sie die knapp drei Hektar grosse Fläche für den Anbau von Blauburgunder, Chardonnay und Sauvignon Blanc vorbereitet. Nur wenige Winzer der Herrschaft haben grössere Rebflächen, regelrechte Grossbetriebe gibt es dort keine.
Nach einer nicht immer einfachen Startphase begann sich die harte Arbeit auf dem Rebberg, wo in der ersten Jahreshälfte Reben gebunden und der Boden aufgelockert werden muss, allmählich zu lohnen. Immer öfters kehrte sie von Wettbewerben mit Auszeichnungen nach Hause und 2004 gelang es ihr, sich mit ihrem Blauburgunder Eichholz gegen 440 Weine aus Österreich, Deutschland, Italien, Frankreich durchzusetzen. Dafür wurde sie von der deutschen Weinzeitschrift „Wein Gourmet“ mit dem ersten Preis bedacht. Und damit zahlt sich aus, dass sie schon früh die Erntemenge pro Quadratmeter auf gerade einmal 400 Gramm beschränkt hat. Das ist ein Drittel der Höchstmenge, die im Weinbaukanton Graubünden erlaubt ist.
Heute könnte sich Irene Grünenfelder beim besten Willen nicht vorstellen, Tag für Tag einer Angestelltentätigkeit in einem Büro nachzugehen. Sie arbeitet leidenschaftlich gern in ihrem Weinberg, dass sie eine zupackende Art hat, sieht man ihren Händen inzwischen an. Ein weiteres Markenzeichen ist ihr trockener Humor, von dem sie bei Weindegustationen gerne grosszügige Kostproben gibt. „Inzwischen habe ich begriffen, was es heisst, selbständig zu sein“, setzt sie an und kommt dann blitzschnell auf den Punkt. „Man macht alles selbst, und das ständig.“
Wie alle Winzer richtet sie ihr Hauptaugenmerk auf die Rebsorte Blauburgunder, mit der sich in diesem alpennahen Teil der Schweiz besonders elegante Weine herstellen lassen. Trauben dieser Sorte benötigen eine lange Vegetationszeit und im Herbst den regelmässigen Wechsel von kühleren und wärmeren Tagen. Ihr körperreicher Sauvignon Blanc, zu gleichen Teilen aus Stahltank und Barrique, verblüfft durch eine Fruchtigkeit, die dennoch nicht zu dominant ausfällt.
Wenn dann im Oktober die „Wimmlet“ genannte Ernte beginnt, kann Irene Grünenfelder stets mit der Hilfe ihrer Verwandten und Bekannten rechnen. An die 20 000 Flaschen füllt sie jährlich ab, um diese Menge zu erreichen, kauft sie noch Trauben von anderen Rebbergbesitzern der Herrschaft hinzu.
Für Irene Grünenfelder, die in ihrer Freizeit gerne wandert, joggt und dem Skilanglauf frönt, ist in jüngster Zeit ein Traum wahr geworden: „Ich kann endlich von den Früchten meiner Arbeit leben“, vermerkt sie selbstbewusst. Aber sie denkt nicht daran, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Die berufliche Weiterbildung steht für sie an erster Stelle und deswegen hat sie sich an der österreichischen Weinakademie für für Kurse eingeschrieben, um önologisch auf der Höhe zu bleiben.
Thomas Veser